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Sekundarstufe 2
 

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Diese Seite wurde aktualisiert am 06.12.2023

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Druckversion vom 28.03.2024 16:40 Uhr
Startseite Einführungsphase Stochastik Bed. Wahrscheinlichkeit Bayes-Wahrscheinlichkeit

 

Bedingte Wahrscheinlichkeiten & der Satz von Bayes - Erforschen 2

 

Morden im Norden

Nach den schwedischen Krimis kommen auch immer mehr Inseln der Nordsee in den Genuss von Mordplänen der Film- und Serienschaffenden, hier und heute: Norderney!

Es ist die Nacht des schweren Sturms über Norderney: Die Fähre muss den Betrieb einstellen, der Flughafen ist geschlossen, das Meer lässt kein Entkommen zu. Am frühen Morgen findet man an der Weißen Düne die Leiche eines Unbekannten, erschlagen mit einem sehr stumpfen Gegenstand. Das Ermittlerpaar ermittelt, die Kriminaltechniker techniken - gefunden wird ein Sandsack, der sich als Mordwaffe herausstellt, behaftet mit dem Blut des in der Nacht Erschlagenen. Eine DNA-Spur kann isoliert werden, die nicht vom Erschlagenen stammt - vielleicht von der Mörderin oder dem Mörder.

Die Ermittler lassen die Insel weiter sperren - keine Möwe kann ohne Beobachtung entkommen...

 

Eine neue erweiterte DNA-Analyse wird angewandt: Die mordende Person soll männlich, braunäugig und ca. 34 Jahre alt sein sowie dunkelbraunes Haar und eine dunkle Hautfarbe haben. Der Kriminalassistent sagt gleich: „Den kenne ich!“ Eine Inselrasterfahndung wird ausgelöst, die Inselpost schreibt aus gut unterrichteten Kreisen, dass wohl ein dunkelhäutiger Fremder für die abscheuliche Tat verantwortlich sei.

Zur Vereinfachung der Polizeiarbeit werden zuerst einmal alle Männer mit dunkler Hautfarbe zwischen 20 und 45 vorgeladen und überprüft.

Zurzeit gelten ungefähr die folgenden Werte für die Sicherheit der DNA-Analysen:

Biogeographische Analyse für Erdteile (ca. 99%)

Haarfarbe ~80-95%

Augenfarbe blau/braun ~90% / sonst ~70%

Hautfarbe ~ 85-95%

Alter: im „Mittel“ ca. 3-4 Jahre Abweichung, bis zu 20 Jahren in Einzelfällen

 

Hintergrundinfos zur DNA-Analyse

 

Verlassen Sie bitte kurz den Mordfall und rechnen ein wenig:

Es sind zurzeit ca. 18 000 erwachsene Personen auf der Insel. Von allen dieser Personen besitzen 350 eine dunkle Hautfarbe.

  1. Lesen Sie den Hinweis Sicherheit einer DNA-Analyse. Wählen Sie den besten Wert für die Wahrscheinlichkeit, dass die Hautfarbe bei einer DNA-Analyse richtig bestimmt wird.
    Füllen Sie damit die nachfolgende Vierfeldertafel aus:
    DNA-dunkel DNA-hell Gesamt
    dunkel
    hell
    Gesamt

    hell/dunkel:  Die Hautfarbe der Person.

    DNA-dunkel: Die DNA - Analyse ergibt das Ergebnis dunkle Hautfarbe.

    DNA-hell: Die DNA - Analyse ergibt das Ergebnis helle Hautfarbe.

    Sie können auch die GeoGebra-App zur Vierfeldertafel nutzen.

    Was wissen Sie bereits? Sie kennen die Wahrscheinlichkeit, dass die Hautfarbe bei einer DNA-Analyse richtig bestimmt wird und wie viele Bewohner mit dunkler und heller Hautfarbe auf der Insel sind.
    Nutzen Sie diese Angaben zum Ausfüllen der Vierfeldertafel.

    Beispielsweise können Sie dann in der Vierfeldertafel mit diesen Angaben die Anzahl der Personen mit dunkler Hautfarbe bestimmen, bei denen die DNA-Analyse auch das Ergebnis dunkle Hautfarbe anzeigt.
    Es gibt also 350 Personen mit dunkler Hautfarbe auf der Insel und in 95% der Fälle zeigt die DNA-Analyse das richtige Ergebnis an...

  2. Geben Sie mithilfe der Vierfeldertafel die Anzahl der Personen an, bei denen das Ergebnis "dunkle Hautfarbe" durch die DNA-Analyse zu erwarten ist.
    Wie ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer DNA-Analyse aller Personen das Ergebnis "dunkle Hautfarbe" angezeigt wird?
    Berechnen Sie diese Wahrscheinlichkeit (bzw. hier besser: relative Häufigkeit!).

  3. Hat eine Person mit dem Ergebnis "dunkle Hautfarbe" tatsächlich eine "dunkle Hautfarbe"?
    Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand, der ein solches Ergebnis bei der DNA-Analyse hat, tatsächlich „dunkel“ ist.

    Nutzen Sie die GeoGebra-App zur Vierfeldertafel zum Prüfen Ihres Rechenweges!

    Erkunden Sie den Begriff der "Vorhersagewerte" im Erforschen 1 in der Begriffsübersicht am Ende der Seite. Wie hängt der Begriff mit dieser Aufgabe zusammen?

  4. Berechnen Sie analog die Wahrscheinlichkeit dafür, dass jemand „hell“ ist, wenn das Ergebnis der DNA-Analyse „hell“ anzeigt.

  5. Beurteilen Sie die hier angedachte Vorgehensweise.
    Geben Sie evtl. eine andere Vorgehensweise an, die zur Täteridentifizierung mithelfen kann.

  6. Die gleiche Art von Verbrechen könnte sich natürlich auch auf Sal, einer Insel der Kapverden, abspielen.
    Gehen Sie von 45000 Bewohnern und 5000 Besuchern aus sowie einem Anteil von dunkelhäutigen Personen von 85% bei den Bewohnern bzw. 5% bei den Besuchern.
    Berechnen Sie analog, vergleichen und erläutern Sie.

Trotz der intensiven Suche der ermittelnden Ermittler und der wissenschaftlichen Ergebnisse der Kriminalwissenschaftler findet sich kein Täter - doch es klären die Aufklärer doch am Ende noch auf: Ein im Gewitter die Insel überfliegendes Kleinflugzeug wurde so durchgerüttelt, dass sich aus der geborstenen Ladeluke ein für die Hallig Hooge bestimmter Sandsack löste und dem Opfer zum Verhängnis wurde. Der Sandsack wurde auf dem Flughafen bei Oldenburg von einem aus dem Senegal stammenden Hilfspacker in das Flugzeug geladen - so kam die DNA in die Welt!

 

 

Zu den Rechnungen:

Bitte beachten Sie: Als Zwischenwerte bei der Berechnung z.B. der Vierfeldertafel treten Dezimalzahlen auf, die dem Kontext (Anzahl von Menschen) nicht gerecht werden. Sie werden dennoch nicht gerundet, erst die Lösung wird - falls es sich aus dem Sachzusammenhang ergibt - angepasst. 

 

Eine sehr gute Grundlage zur Bearbeitung des Themas stellt der Rundbrief 210 der MUED dar, in dem die gesellschaftliche und politische Dimension der Gesamtproblematik zusätzlich verdeutlicht wird.

 

Legende:
Für die nachfolgenden Lösungen bedeuten

hell/dunkel:  die Hautfarbe

DNA+: Die DNA - Analyse ergibt das Ergebnis dunkle Hautfarbe

DNA-: Die DNA - Analyse ergibt das Ergebnis helle Hautfarbe

 zu a.
Sicherheit bei DNA-Analysen auf die Hautfarbe: `85 % - 95 %`. Also `P("DNA"+|"dunkel") = 0.95`.

zu  b., c., d.

Ausgangswerte sind die gegebenen Zahlen.

Dadurch entsteht die nebenstehende Vierfeldertafel.

Daraus kann man schnell die Wahrscheinlichkeit für eine positive DNA-Analyse in Bezug auf die dunkle Hautfarbe errechnen: `6.75 %`.

Der Einsatz der Baumdiagramme und der Vierfeldertafel verdeutlicht die vorkommenden Situationen.

Bei der angenommenen "Zusammensetzung" der Bevölkerung ergeben sich die ermittelten Werte durch einfache Pfad- und Additionsregeln.

Insbesondere in der Lösung von c. mit einer Wahrscheinlichkeit von etwas mehr als einem Viertel zeigt sich die Problematik im Umgang mit diesem Verfahren bei der Bewertung von "Minderheiten". Wenn die DNA-Analyse "schwarze Hautfarbe" ergibt, dann trifft dieses Urteil nur in 27 % der Fälle zu. 

zu b.

zu c.

Morden im Norden b

zu d.

  • Gesucht ist `P("hell" ∣ DNA-)`.
  • `P("hell" ∣ DNA-)` ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eine helle Hautfarbe besitzt unter der Voraussetzung, dass das Ergebnis der DNA-Analyse „hell“ anzeigt.
  • Die Wahrscheinlichkeit berechnet sich aus der Anzahl der Personen, bei denen die DNA-Analyse das Ergebnis „hell“ anzeigt und die eine helle Hautfarbe haben (`16767.5`) sowie der Anzahl aller Personen bei denen die DNA-Analyse das Ergebnis „hell“ anzeigt (`16785`).
  • Die Wahrscheinlichkeit berechnet sich dann wie folgt:
    `P("hell" ∣ DNA-) = 16767.5/16785 ~~ 0.999 = 99.9 %`

zu e.

Einige der Gefahren und Möglichkeiten bei der Anwendung dieser erweiterten DNA-Analyse:

  • Es handelt sich bei allen Aussagen immer "nur" um Korrelationen von Zahlen, nicht um Kausalitäten
  • Minderheiten geraten sehr schnell in einen Generalverdacht, obwohl die Anzahl von "Falschpositiven" in diesem Fall meist deutlich höher ist
  • Vorverurteilungen werden schnell "pseudowissenschaftlich" abgesichert
  • Eine Veröffentlichung von Analyseergebnissen muss vollständig vermieden werden
  • Ermittlungen in "andere" Richtungen werden deutlich zurückgefahren oder ganz eingestellt
  • Die Ergebnisse können/sollten nie alleinige oder bestimmende Grundlage für endgültige Beurteilungen sein
  • Die Ergebnisse können (nur) Hinweise innerhalb der Ermittlungen bieten - z.B. bei mehreren Verdächtigen
 

zu f.

Diese völlig andere "Zusammensetzung" der Bevölkerung zeigt durch die analogen Berechnungen die sehr starke Abhängigkeit dieser bedingten Wahrscheinlichkeiten von der zugrundeliegenden Zusammensetzung innerhalb der betrachteten Gruppe. Insbesondere zeigen das die Werte von `P("dunkel"|"DNA"+)` - mehr als eine Verdreifachung des Wertes - und `P("hell"|"DNA"-)` - von `~~ 100 %` auf nur noch `~~ 85 %`.

 Netzpolitik.org hat sich in einem Video zur "extended DNA analysis" geäußert.

 

 

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